Von der Unschärfe des inneren Bildes

Der Prozeß der Produktion – Der tradierten Vorstellung des zielgerichteten Schreibens, der Fiktion eines Autors, der „produktorientiert“ und bewußt zunächst Entwürfe, dann eine erste, eine zweite vielleicht eine dritte Fassung seines Textes erarbeitet bis er zur endgültigen Fassung des Manuskripts gelangt, welches einem exakten Vorläufer des Endprodukts entspricht, steht Heiner Müllers Arbeitsweise gänzlich entgegen.

Müllers Manuskripte torpedieren die Erwartung eines ‚Endprodukts’ und gewähren vielmehr Einblick in ein Labor. Dieses Labor der ‚Inszenierungen auf Papier’ entspricht Müllers Auffassung von Theaterarbeit, die er in Anlehnung an einen Ausspruch seines Freundes, des Philosophen Wolfgang Heise, in den siebziger Jahren mit der Forderung eines Theaters als „Laboratorium“ bzw. „Instrument sozialer Fantasie“[2] verknüpft.[3] Seine Notate orientieren sich nicht an einem von vornherein festgelegten Resultat, sondern formieren sich locker zu einer gleichzeitigen Versammlung von Assoziationen und Versatzstücken. Obwohl sie von einer Vorläufigkeit oder stellenweise gar Flüchtigkeit geprägt sind, bergen sie doch „produktive Kerne und Wurzeln des Poetischen“.[4]

Die entgrenzte Materialsammlung in seinen Manuskripten spiegelt sich in Müllers äußerer Arbeitsweise insofern wider, als daß er sämtliche Notizen sorgfältig aufbewahrt hat, ganz gleich von welchem Entwicklungsstand der Arbeit sie zeugen.[5] Dazu gehören auch jene, die scheinbar achtlos auf die nächstbeste Unterlage gekritzelt wurden.[6] Weil Müller selbst seinen Notizen große Bedeutung beimaß – auch sie sind Material – und weil sie geräumige Einblicke in die Entwicklung seiner Texte gewähren, bietet sich eine ausführliche Beschäftigung mit ihnen an.

Müllers Arbeitsmethode ist ein sich stetig fortsetzender Prozeß von immer wieder neu vorgenommenen Transformationen oft derselben Textstücke, die etliche Male neu und anders miteinander kombiniert werden, überlagert werden, herausgenommen und vielleicht an anderer Stelle wieder eingesetzt werden, um sich dort in neuen Zusammenhängen zu formieren. Er scheint bemüht, einen produktiven Abstand zum Geschriebenen herzustellen um somit neue Möglichkeiten desselben herauszupräparieren. Der lauernden Gefahr eines sich automatisch einstellenden Systems, eines Automatismus des Schreibens, evoziert aus Bezug, Bedeutung und Assoziation der eigenen Sprache, der er schreibend verhaftet ist, entgeht er zuweilen, in dem er in eine fremde Sprache wechselt, die manchmal über phonetische Vergleichbarkeiten wieder neue Spielräume des Probierens bietet[7]:

3394, Lessing Schl. / Tr. / Schr.:

Lessing Schl. / Tr. / Schr.
Lessing dream / ~ cry (Schrei) Knebel? /                       -auf Mund der schreit /
lautlos
Text über / The dead cry / Crying / On unfulfilled / Promises of history etc.

3394, sex:

Kopftausch brainwashing? / die Rimbaud; […].

3394, Apotheose:

Apotheose looks / cry: Lessg. Hearing news of the day (tv) […] La hora de los hornos / Hochöfen / Weißglut / fast speaking / woman / Worte statt Sätze / Reihe […].[8]

Der Prozeß des Notierens, zu dem die permanente Reproduzierung von Textteilen mit scheinbar geringen Änderungen gehört, der stetige Neuanlauf, das Ausprobieren von Text, erscheint mit seiner Absage an jegliche Form von Linearität wie ein Kaleidoskop, das mit denselben Steinen die unterschiedlichsten Mosaike herstellt. Mit dem großen Unterschied, daß Müllers Notate trotz ihrer Prozeßhaftigkeit keineswegs beliebig sind.

Der Prozeß des Schreibens im Mittelpunkt der Critique Génétique

Bevor ich einen vergleichenden Blick von den Manuskripten zum Drucktext riskiere, möchte ich im Sinne der Critique Génétique auf zwei Begriffe hinweisen. Müller, der sich mit seiner Sorge etwas Geschriebenes wegzuwerfen in bekannter Gesellschaft befindet[9], betonte stets, daß ihn der Prozeß mehr interessiere als das Resultat. Entsprechend ist für die Critique Génétique „ihr ureigenstes Ziel eben nicht der Text, sondern das Schreiben, verstanden als ein Prozeß schriftlicher Äußerungen.“[10] Deshalb, weil es um die Gesamtheit der textgenetischen Dokumente geht, ersetzt Almuth Grésillon den Begriff ‚Avant-Texte’ durch den Ausdruck ‚Dossier Génétique’, was die Summe der schriftlichen Dokumente bezeichnet, die „der Genese eines Schreibprojektes zugeordnet werden kann, unabhängig davon, ob diese zu einem vollendeten Werk führt oder nicht.“[11] Die eigentlichen Arbeitshandschriften werden in der Critique Génétique als ‚Brouillon’ bezeichnet. Brouillon meint die Vorstellung eines im Werden begriffenen Schreibens mit Streichungen, Stocken und einem ungeordneten Schriftbild und den Spuren mühevoller Arbeit.[12] Die Gefahr für die Critique Génétique liegt in der teleologischen Lesart des Brouillon, die es vom Endtext her und auf diesen hin orientiert betrachtet, statt auf eine vagabundierende, in alle Richtungen lesende Art und Weise.[13]

Ästhetik der Produktion

Ich kann an dieser Stelle nur vermuten und abwägen, ob es sinnvoller sein mag, hier von einer Poetik oder Rhetorik der Produktion zu sprechen. Beide Alternativen erscheinen mir unzureichend bzw. nur partiell zutreffend, und so folge ich den Spuren einer Produktion im Vergleich zum Drucktext. Dazu ein Blick auf das jeweilige Brouillon und den entsprechenden Drucktext:

Ausschnitt 3394, tv mein Fenster:

Nathan / (der alte Narr, der Auschwitz / nicht wahrhaben wollte / Emilia + Vater / […] / Nathan in Auschwitz / wird, während er die Ringparabel rezitiert / für d. Ofen eingekleidet, rasiert / geschoren usw. / von Sängerknaben / (Mozart s[ingend?])

Ausschnitt 3394, sex:

sex / torture                    Less.                   Girl / <———> / murder Nathan rezitiert
Ringparabel                     Emilia Gal. Gewalt-Text → Dolch / Blumenkinder        N. zieht
setzt ihr seinen Kopf auf / mit Maschinenpistole                   + nimmt ihren / make love not war
wird von Hippie / Guerillas / entkleidet […][14]

 

Die Szene in der Druckfassung:

Autofriedhof. Elektrischer Stuhl, darauf ein Roboter ohne Gesicht. In zwischen unter den Autowracks in verschiedenen Unfallposen klassische Theaterfiguren und Filmstars. Musik WELCOME MY SON WELCOME TO THE MACHINE […]. Lessing mit Nathan dem Weisen und Emilia Galotti, Namen auf dem Kostüm. / „EMILIA GALOTTI rezitiert: Gewalt! Gewalt! Wer kann der Gewalt nicht trotzen? […] Geben Sie mir, mein Vater, geben Sie mir diesen Dolch… / NATHAN rezitiert, gleichzeitig, den Schluß der Ringparabel: / Wohlan… / Polizeisirene. Emilia und Nathan vertauschen ihre Köpfe, entkleiden umarmen töten einander. Weißes Licht. Tod der Maschine auf dem Elektrischen Stuhl. Bühne wird schwarz. […][15]

Die in den genannten Brouillons vorhandenen Zugaben von Handlungen, Verweisen und Umständen, bilden eine Art Subtext, welcher auch die Figuren Lessing, Nathan und Emilia umgibt oder auszeichnet. Dieser Subtext besteht aus kurzen fragmentarischen Sätzen, oft nur aus einzelnen, teilweise durchgestrichenen und dennoch lesbaren Worten. Trotz dieser knappen Form, trotz der Rohheit des Textes, erscheint mir der Subtext eine geradezu bildgewaltige Wucht zu haben. Diese Wucht setzt sich meines Erachtens im Drucktext fort, allerdings ohne die dazugehörigen Bilder zu benennen. Die Bilder sind im Drucktext nicht lesbar. Doch wo bleibt der Subtext? Was passiert zwischen Produktion und Drucktext? Die Bildsprache der Manuskripte scheint im Drucktext mitzuschwingen, obgleich sie dort nicht zu verorten ist. Der Drucktext ist in seiner Wirkung nicht schwächer als der Text der Manuskripte, die subtextuellen Bilder der Manuskripte wirken ungehindert fort, dem Text immanent, gleichwohl sind sie aber dort nicht auszumachen. Wie geht Müller mit den subtextuellen Bildern, welche die Ästhetik der Produktion anreichern in Bezug auf die Ästhetik des Drucktextes um? Um dieser Frage nachzugehen, erscheint es mir hilfreich Müllers Umgang mit Text genauer zu betrachten.

Distanz von Text und Sprache

Müller tritt für eine Distanz von Text und Sprache ein. In dem oft zitierten Beispiel vom Text als Coyoten, geht es nicht um die Frage, was der Text mit dem Schauspieler macht, sondern um die Verweigerung der Aneignung von Text:

Ich weiß nicht, vielleicht ist das eine archaische Position, aber mir scheint […] daß wir im Theater noch gar nicht wirklich mit Texten gearbeitet haben, daß Texte noch immer nicht als Material, noch immer nicht als Körper gebraucht worden sind. […] diese Performance von Beuys mit dem Coyoten in New York.[16]Eigentlich ist das für mich eine ideale Metapher für den Umgang des Schauspielers mit dem Text, der Text ist der Coyote. […] Und man weiß nicht, wie der sich verhält. Aber wie sage ich das einem Schauspieler, der gewöhnt ist, als Beamter mit dem Text umzugehen, den Text bestenfalls zu verwalten. Oder sogar zu administrieren.“[17]

 

Theresia Birkenhauer[18] sieht in der Unabschließbarkeit des Prozesses jene doppelte Erfahrung manifestiert, die Foucault als das Erscheinen von Literatur beschrieben hat. Die Erfahrung der Unverfügbarkeit der Sprache sowie die Loslösung des Schreibens aus dem Bereich des Verfügens, der Intention, des Ausdrucks.[19] An die Stelle der Beziehung zwischen Autor und Werk tritt das Schreiben: „Das Schreiben entwickelt sich wie ein Spiel, das zwangsläufig seine Regeln überschreitet und so nach außen tritt. Im Schreiben […] handelt es sich nicht darum, einen Stoff im Sprechen festzumachen; in Frage steht die Öffnung eines Raumes, in dem das schreibende Subjekt immer wieder verschwindet.“[20]Theresia Birkenhauer bemerkt eine Konzeption von Sprache, „die diese aus dem Bereich der individuellen Expression entlässt, um auf ihrer durch subjektive Intentionen nicht zu kontrollierenden Unverfügbarkeiten zu bestehen.“[21]

Für Lessings Schlaf Traum Schrei entwirft Müller eine raffinierten Verdopplung um einen zusätzlichen Abstand zwischen Text und Sprache zu schaffen. Im veröffentlichten Drucktext rezitieren die Figuren Emilia und Nathan eine jeweils markante, mit der Figur verwobene Passage aus dem jeweiligen Lessing-Dramentext. Die namentlich gekennzeichneten Dramenfiguren nutzen für den Sprechakt die Texte, durch die sie als dramatische Figuren existentiell gegründet sind. Ohne diesen, ihren Text, wären sie nicht.

„Emilia Galotti rezitiert: Gewalt! Gewalt! Wer kann Gewalt nicht trotzen? Was Gewalt heißt ist nichts: Verführung ist die wahre Gewalt! Ich habe Blut, mein Vater, so jugendliches, so warmes Blut als eine. Auch meine Sinne sind Sinne. Ich stehe für nichts. Ich bin für nichts gut…Geben Sie mir, mein Vater, geben Sie mir diesen Dolch… / Nathan rezitiert, gleichzeitig, den Schluß der Ringparabel: Wohlan…“[22]

Somit kehren die Figuren an den Punkt zurück, von dem aus sie erzählt werden, an den Punkt ihrer Erfindung durch Lessing. Im Augenblick des Zitats gibt es eine Überlappung von Lessing und Müller. Indem sie an den Ausgangspunkt ihrer Existenz zurückkehren, entziehen sich die Figuren gleichzeitig sowohl dem Autor im klassischen Sinne als auch seiner Sprache. Ihre Rückkehr in die Anatomie kommt im übrigen einem Todesurteil gleich („Emilia und Nathan vertauschen ihre Köpfe, entkleiden umarmen und töten einander.“ HM Gundling, S. 36).

Textlich werden die Dramenfiguren in Müllers Lessing-Triptychon, Nathan und Emilia, durch den rezitierten Lessing-Text der klassischen Figuren übermalt, was sich als ein weiterer Hinweis auf Müllers Schichtsystem ausnimmt. Schon in den Anmerkungen plädiert er dafür, die Teile des Triptychons überlappend aufzubauen. (HM Gundling, S. 9).

Sehen heißt die Bilder töten“[23]

Im Gespräch mit Robert Weimann erklärt Müller diesen Vorgang auf materialistischer Ebene:

„Die Bilder sehen heißt sie töten. Das steht in der Titus-Bearbeitung, und diesen Text oder diesen Teil des Textes habe ich in Venedig geschrieben, sogar zum Teil in dem berühmten Café am Markusplatz, und da hat es einen ganz konkreten Sinn. Je mehr Touristen in die Museen strömen, desto mehr werden die Bilder beschädigt, einfach durch die Ausdünstungen der Touristen usw. Da wird es plötzlich ganz konkret: sehen heißt die Bilder töten. […] Aber da steckt noch was anderes drin. Das Auge ist ja das Organ der Autorität, bei Racine zum Beispiel. […] Und es ist in diesem Zusammenhang auch plötzlich ein ganz imperialistisches Organ.“[24]

Die Konkretheit eines Bildes schließt immer auch andere Möglichkeiten aus und ist somit dominierend.[25] Das Lesen ist zunächst ein stummer Vorgang. Der Buchstabe ist stumm. Das Bild entsteht sobald man aufhört zu lesen. Dieses innere Bild ist unscharf, doch gerade diese Unschärfe des inneren Bildes ist so viel reicher als das konkrete Bild.

Der Weg der Ästhetik der Produktion hin zur Druckfassung markiert einen Vorgang, bei dem Müller versucht das konkrete Bild aus der Druckfassung herauszunehmen, damit die Fassung weit bleiben kann und ein unscharfes aber deshalb reiches Bild entstehen kann. Die Möglichkeit, die dem Leser dadurch gegeben wird, schließt den Subtext der Manuskripte ein, der durch die Zurücknahme des Bildes in den Text nicht gelöscht wird, sondern durch die gegebene Unschärfe dem Text immanent ist.

[[1]]Almuth Grésillon unterscheidet als Vertreterin und Fürsprecherin der Critique Génétique zwischen zwei Arten einen Text zu produzieren: „das produktorientierte Schreiben und das prozessorientierte Schreiben.“ Letzteres ordnet sie eher den zeitgenössischen Schriftstellern zu und verweist somit „auf den näher zu bestimmenden Zusammenhang zwischen literarischem Schreiben und den Denkfiguren eines Zeitalters.“ Grésillon, Almuth: Literarische Handschriften. Einführung in die „critique génétique“.Bern 1999. S. 137. (Im folgenden A. Grésillon, critique génétique).[[1]]

Fußnoten    (↵ zurück zum Text)

  1. Müller, Heiner: Theater-Arbeit. Hamburg 1975, S. 117.
  2. Suschke, Stephan: Müller macht Theater. Zehn Inszenierungen und ein Epilog. Berlin 2003. Vorwort, S. 7. Suschke beschreibt Müllers Inszenierungen als „Fortsetzung des Schreibens mit anderen Mitteln“. „Sein Ansatz war – wie beim Schreiben – am besten für mich zu fassen mit einer Denkfigur Deleuze/Guattaris – dem Rhizom: ein sich immer weiter verzweigender Wurzelstock. Das Verwenden von Motiven und Textteilen, das Überschreiben, Übermalen über einen Zeitraum von Jahren, Jahrzehnten hinweg, fand seine Entsprechung in den Inszenierungen, die von der Montage, der Konstruktion lebten, […].“ Ebd.
  3. Bernhard, Julia: „So wurde allmählich dieses Bild ‚mit Schrift bedeckt’…“. Das Konvolut Bildbeschreibung im Nachlass Heiner Müllers. In: Heiner Müller – Bildbeschreibung. Ende der Vorstellung. Hg. v. Ulrike Haß. Berlin 2005 [Recherchen 29 / Theater der Zeit], S. 19-30. S. 19. (Im folgenden J. Bernhard, Bildbeschreibung).
  4. Jan-Christoph Hauschild in seiner Biographie über Heiner Müller: „Er hat Angst etwas wegzuschmeißen.“ Er beschreibt Müllers Arbeitschaos, dem er mit einem ‚Schichtverfahren’ beizukommen versucht: „Die Arbeitsphasen werden durch Lagen von Zeitungen voneinander getrennt – ein Zettelkrieg gegen die nachwachsenden Mengen an Papier […].“ Dazu Margarita Broich: „Er hat immer mit Zeitungslagen gearbeitet. Da war dieser Tisch mit Tausenden von Zetteln und Notizen, und da hat er dann ab und zu wieder Zeitungspapier darüber gedeckt, wie ein Schichtkuchen, und dann wieder neu angesetzt.“ Mußten die Schichten z.B. umzugsbedingt abmontiert werden, war das für Müllers Arbeitsprozess katastrophal. Die Theaterwissenschaftlerin, Dramaturgin und spätere Regisseurin Renate Ziemer wird Müller eine zeitlang als Assistentin im Kampf gegen das ‚Chaos des Alltags’ organisatorisch beistehen und lange den Überblick im Schichtsystem behalten. Hauschild, Jan-Christoph: Heiner Müller oder das Prinzip Zweifel. Eine Biographie. Berlin 2001. S. 374-375.
  5. So finden sich unter den Manuskripten im Heiner-Müller-Archiv überwiegend undatierte Notate, niedergeschrieben z.B. auf die Rückseite eines Kassenzettels oder auf einer Serviette, oder im Fall der Gundling-Manuskripte auf einem Bogen Hotelbriefpapier (Heiner-Müller-Archiv, Augias-Katalog 3394, Blatt 6) oder auf die Rückseite der Kopie eines Handbuchartikels über den Einfluss der Antike auf die deutsche Klassik und die sozialistische Bedeutung. (ebd., 3798). Dazu Renate Ziemer: „Müller notierte sich alles, ohne Unterschied, ob Ideen oder Telefonnummern, auf jedem Zettel, der irgendwie greifbar war, auch auf Taxi-und Restaurantrechnungen. Es bleibt zu hoffen, daß die wichtigen Dinge im Archiv gelandet sind und nicht im Büro des Steuerberaters.“ (zit. nach Hauschild, S. 6).
  6. J. Bernhard, Bildbeschreibung, S. 24.
  7. Müller, Heiner: Manuskripte zu LESSINGS SCHLAF TRAUM SCHREI. Augias Katalog 3394 Lessing Schl. / Tr. / Schr., 3394 sex, 3394 Apotheose, alle handschriftlich. Transkriptionen: Christina Schmidt. Heiner-Müller-Archiv der Akademie der Künste, Berlin. (Im folgenden HM Archiv ).
  8. „Flaubert schrieb nicht nur alles auf, was ihm durch den Kopf ging, sondern bewahrte auch alles auf, was er irgendwie beschrieben hatte: ‚Ich werfe keinen Zettel weg, das ist eine Manie von mir.’ Mit ihm beginnt in diesem Sinn die Moderne: Entwurfs- und Arbeitshandschriften zeugen gerade wegen der Streichungen, Einfügungen und Umarbeitungen von der ‚Hundearbeit’ des Schreibens, sie gewinnen gerade deshalb offiziellen und öffentlichen Wert, und der Schriftsteller weiß es. Daraus folgen im Prinzip zwei entgegengesetzte Verhaltensweisen. Entweder wird alles aufbewahrt, alles gezeigt, so bei Hugo und Flaubert, oder aber es wird zur Vernichtung bestimmt, so bei Mallarmé und Kafka.“ A. Grésillon, critique génétique, S. 117.
  9. A. Grésillon, critique génétique, S. 140.
  10. A. Grésillon, critique génétique, S. 140.
  11. A. Grésillon, critique génétique, S. 97.
  12. A. Grésillon, critique génétique, S. 172.
  13. HM Archiv 3394 tv mein Fenster, u. 3394 sex, beide handschriftlich.
  14. Müller, Heiner: LEBEN GUNDLINGS FRIEDRICH VON PREUSSEN LESSINGS SCHLAF TRAUM SCHREI. In: Ders.: HERZSTÜCK. Hamburg 1983. (Heiner Müller Texte 7), S. 35, 36. (Im folgenden HM Gundling).
  15. Die Aktion ,,Coyote; I like America and America likes me“ fand im Mai 1974 in der New Yorker Galerie René Block statt und dauerte exakt vier Tage. Vom New Yorker Flughafen wurde Beuys – komplett in Filz gewickelt – von einem Krankenwagen zur Galerie gefahren. In einem separaten Raum erwartete ihn ein Kojote mit dem Beuys 72 Stunden verbrachte. Er ordnete Filzbahnen, stapelte täglich die neueste Ausgabe des Wall Street Journal, war ausgerüstet mit Handschuhen, Spazierstock, und einer Triangel. Gelegentlich zerrissen Turbinengeräusche die Stille. Innerhalb dieser nahm Beuys Kontakt zum Kojoten auf. Anfangs verunsichert und aggressiv, gewöhnte sich das Tier bald an den Künstler, es schlief auf den Filzbahnen, die es zuvor attackiert hatte. Beuys legte sich auf das Strohlager des Präriewolfes. Die Beziehung zwischen Mensch und Tier wurde inniger, bis Beuys auf die selbe Weise verschwand, wie er gekommen war. (Vgl. auch: Der Text ist der Coyote. Heiner-Müller-Bestandsaufnahme. Hg. von Christian Schulte und Brigitte Maria Mayer. Frankfurt am Main 2004.)
  16. Heiner Müller / Robert Weimann: Gleichzeitigkeit und Repräsentation. Ein Gespräch. In: Postmoderne – globale Differenz. Hg. von Robert Weimann und Hans Ulrich Gumbrecht. Frankfurt am Main 1991. S. 182-207. S. 195. (Im folgenden Müller/Weimann: Gleichzeitigkeit)
  17. Birkenhauer, Theresia: Bild-Beschreibung. Das Auge der Sprache. In: Heiner Müller. Bildbeschreibung. Ende der Vorstellung. Hg. von Ulrike Haß. Berlin 2005. [Recherchen 29 / Theater der Zeit], S. 93-111. S. 105. (Im folgenden t. Birkenhauer, Bildbeschreibung)
  18. Foucault, Michel: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt am Main 1980, S. 173.
  19. Foucault, Michel: Was ist ein Autor. In: Ders.: Schriften zur Literatur. Frankfurt am Main 2003. S. 7-31. S. 11.
  20. T. Birkenhauer, Bildbeschreibung, S. 106.
  21. HM Gundling, S. 36.
  22. Müller, Heiner: Anatomie Titus Fall of Rome. In: (Ders.): Shakespeare Factory 2. Hamburg 1994. (Heiner Müller Texte 9). S. 151.
  23. Müller/Weimann: Gleichzeitigkeit, S. 190/191.
  24. Die ausgeschlossenen Möglichkeiten, die ‚inneren’ Bilder, sind in ihrer Wirkung aber oft sehr viel kraftvoller. Bekannt beispielsweise ist der Mechanismus bei unwillkommenen (Horror)szenen im Fernsehen oder Kino die Augen zu verschließen. Hört man dann jedoch die Szene, ist das innere Bild oft grausamer und in seiner Wirkung wuchtiger als das konkrete Bild. Ebenso exemplarisch ist die Wucht von Albträumen, die jedes konkrete Bild übertrifft.
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